Langzeitstudenten: Tipps für die Bewerbung

Das Studium nicht nach der Regelstudienzeit abzuschließen, sondern ein oder zwei Semester später fertig zu werden, ist nicht dramatisch und lässt sich Personalern in der Regel plausibel erklären. Ein Langzeitstudium hingegen lässt sich in einer Bewerbung nicht ganz so einfach begründen. Dennoch ist auch ein solches „Bummel“-Studium kein Weltuntergang. Man muss nur wissen, wie man die Zusatzsemester in einer Bewerbung geschickt verkauft! Wie das geht? Das verraten wir euch in diesem Artikel!

Das Wichtigste in Kürze

  • Laut Statistischem Bundesamt wurden 2014 lediglich 40 Prozent aller Studienabschlüsse in der Regelstudienzeit erworben
  • Seit 2010 stieg die mittlere Gesamtstudiendauer um 1,3 Semester (Stand: Bildungsbericht 2020)
  • Faktoren wie z.B. Auslandssemester, ggf. erforderliche Sprachnachweise, Finanzierungsschwierigkeiten sowie persönliche und familiäre Umstände wirken sich auf die Gesamtstudiendauer aus
  • Ein Langzeitstudium muss gut begründet und dem Personaler bestenfalls als Mehrwert verkauft werden
  • Plausible Gründe für ein Langzeitstudium sind u.a. Praktika, Freiwilligenarbeit, Auslandsaufenthalte etc.

Ab wann man als Langzeitstudent gilt

Als Langzeitstudenten werden ganz allgemein all diejenigen Studenten bezeichnet, die weit über der Regelstudienzeit liegen. Eine konkrete Definition ab wann man als Langzeitstudent gilt, gibt es indessen nicht. Die Bestimmungen hinsichtlich eines Langzeitstudiums schwanken vielmehr von Bundesland zu Bundesland. Während manche Universitäten bereits ab dem vierten Semester über der Regelstudienzeit Langzeitstudiengebühren erheben, betrachten andere Hochschulen ihre Studenten erst ab dem sechsten Semester über der Regelstudienzeit als Langzeitstudenten.

Paradoxerweise hat die Anzahl an Studenten, die die Regelstudienzeit überschreiten, seit der Einführung der Bachelor- und Masterabschlüsse, die eigentlich einen früheren Studienabschluss ermöglichen sollen, zugenommen. Seit 2010 ist die mittlere Gesamtstudiendauer um 0,7 Semester angestiegen und liegt dem Bildungsbericht 2016 zufolge nun bei 7,2 Semestern. (UPDATE: Dieser Trend setzt sich laut Bildungsbericht 2020 auch weiterhin fort. 2018 betrug die mittlere Gesamtstudiendauer 7,8 Semester.)

Und in der Tat ist es kein Kunststück, die Regelstudienzeit zu überschreiten. Zusätzliche Sprachnachweise, die der Studiengang ggf. erforderlich macht, Auslandssemester oder ähnliches können die Studiendauer verlängern. Von persönlichen Umständen ganz abgesehen. Aber dazu später mehr.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass laut einer Erhebung des Statistischen Bundesamts im Jahr 2014 lediglich rund 40 Prozent aller Studienabschlüsse in der Regelstudienzeit erworben wurden. Im Schnitt machte das Studium zwei Semester mehr erforderlich. 85 Prozent der Studierenden schafften nach dieser „Verlängerung“ den Bachelor-, 87 Prozent den Master-Abschluss. Die restlichen 15 bzw. 13 Prozent hingegen kamen auch nach diesem Plus von zwei Semestern noch nicht zu ihrem Abschluss und steuern somit tatsächlich auf ein Langzeitstudium zu. Denn zur Erinnerung: In vielen Bundesländern gelten Studierende ab dem vierten Semester über der Regelstudienzeit als Langzeitstudenten.

Welche Faktoren sich auf die Studiendauer auswirken

Die Regelstudienzeit zu überschreiten, ist kein Kunststück. Es gibt zahlreiche Faktoren, die sich auf die Studiendauer auswirken und unter Umständen ein Langzeitstudium zur Folge haben – vor allem in Kombination miteinander.

Erforderliche Sprachnachweise

Zum einen wären an dieser Stelle zusätzliche Sprachnachweise zu nennen, die der Studiengang ggf. erforderlich macht. Wer eine weitere Sprache lernen muss, also beispielsweise Lateinkenntnisse benötigt o.Ä., wird das schwerlich in der Regelstudienzeit schaffen.

Auslandssemester

Auch ein freiwilliges oder verpflichtendes Auslandssemester wirkt sich natürlich auf die Gesamtstudiendauer aus. Denn nicht immer werden alle Leistungsnachweise, die man im Ausland erlangt, hierzulande anerkannt. Zum anderen finden bestimmte Pflichtveranstaltungen nur alle zwei Semester statt. Verpasst man eine dieser Pflichtveranstaltungen, da man gerade im Ausland weilt, kann man diese Veranstaltung erst im übernächsten Semester besuchen. Ein Auslandssemester ist daher einer der häufigsten Gründe dafür, dass das Studium nicht in der Regelstudienzeit absolviert wird.

Persönliche Umstände

Ein Langzeitstudium ist zudem nicht selten auch persönlichen Umständen geschuldet. Um das Studium zu finanzieren, sind viele Studenten beispielsweise trotz BAföG oder Studienkredit darauf angewiesen, Nebenjobs anzunehmen, um sich über Wasser zu halten. Da Nebenjobs natürlich jede Menge Zeit in Anspruch nehmen, können ggf. nicht alle notwendigen Seminare besucht und müssen somit auf das kommende Semester vertagt werden. Wer das Studium größtenteils oder sogar komplett selbst finanzieren muss, hat es daher schwer, die Regelstudienzeit einzuhalten.

Familiäre Umstände

Und zu guter Letzt können auch familiäre Umstände wie zum Beispiel Familienzuwachs oder ein erkranktes Familienmitglied, das pflegebedürftig ist, die Studienpläne gehörig durcheinander wirbeln.

Was Personaler gemeinhin mit Langzeitstudenten assoziieren

Angesichts all dieser Faktoren, die ein Langzeitstudium verursachen können, ist ein Langzeitstudium für Personaler natürlich nicht direkt ein Ausschlusskriterium. Dennoch haben es Bewerber, die weit über die Regelstudienzeit studierten, schwerer, einen Personaler von sich zu überzeugen. Denn: Viele Personaler assoziieren mit einem Langzeitstudium fehlenden Biss und/oder mangelndes Talent. Des Weiteren wird Langzeitstudenten häufig kein allzu großes Durchhaltevermögen nachgesagt – vor allem dann, wenn das Langzeitstudium letztlich doch ohne Abschluss abgebrochen wurde.

Fakt ist also: Als Langzeitstudent hat man es nicht gerade leicht auf dem Arbeitsmarkt. Mit der richtigen Strategie können sich jedoch auch Langzeitstudenten erfolgreich bewerben. Wie das geht? Das verraten wir euch jetzt!

Tipps für die Bewerbung: Wie sich das Langzeitstudium plausibel begründen lässt

Für Langzeitstudenten gilt bei einer Bewerbung mehr denn je, dass sie sich gut vermarkten müssen. Soll heißen: Das Langzeitstudium muss gut begründet und dem Personaler bestenfalls sogar als Mehrwert verkauft werden. Dennoch sollte man immer auch bei der Wahrheit bleiben. Es ist nicht ratsam, falsche Angaben zu machen und zum Beispiel diverse Praktika als Begründung für das Langzeitstudium anzuführen, die jedoch gar nicht absolviert wurden. Möchte der Personaler Referenzen in Form von Zeugnissen sehen, könnte es sonst unangenehm werden. Nicht nur, dass die Chance auf den Job in diesem Fall natürlich gegen Null sinkt. Schlimmstenfalls drohen sogar strafrechtliche Konsequenzen, wenn man im Lebenslauf falsche Angaben macht. Stattdessen gilt es also, dem Personaler das Langzeitstudium gekonnt zu verkaufen.

Am besten sollte man hierzu in die Offensive gehen. Denn es gibt durchaus auch Gründe für ein Langzeitstudium, die einen Bewerber attraktiv für einen Arbeitgeber erscheinen lassen.

So lässt sich ein Langzeitstudium plausibel begründen:

1.) Praktika

Praktika sind immer ein guter Weg, die verlängerte Studienzeit zu erklären. Nicht nur, dass gerade freiwillige Praktika von Engagement, Zielstrebigkeit und Fleiß zeugen. Der Personaler wird zudem die praktische Erfahrung zu schätzen wissen. Mit Berufserfahrung kann man schließlich immer punkten. Es gilt also, zusätzliche Praktika nicht als Verzögerungen, sondern als Erfahrungsgewinn zu verkaufen.

2.) Ehrenamtliche Tätigkeit

Die vermeintlich „verbummelte“ Zeit lässt sich auch durch den Nachweis einer ehrenamtlichen Tätigkeit erklären. Wer sich neben dem Studium sozial engagiert hat, beweist schließlich Verantwortung und ein hohes Maß an sozialer Kompetenz. Eigenschaften, die Personalern wichtig sind. Wer freiwillig neben dem Studium durch ehrenamtliche Tätigkeiten soziales Engagement beweist, kann beim Personaler also sicherlich punkten – Langzeitstudium hin oder her.

3.) Auslandsaufenthalte

Auch Auslandsaufenthalte stellen durchaus einen Mehrwert dar. Nicht nur, dass man dadurch ebenfalls an sozialer Kompetenz gewinnt. Zudem weist man durch Auslandsaufenthalte die eigenen Sprachkenntnisse nach. Wichtige „Soft Skills“ also, die Personaler schätzen. Ein oder zwei Auslandssemester sind also definitiv kein Grund für eine Entschuldigung, sondern ein großartiges Add-on.

4.) Berufstätigkeit

Selbst wenn die verlängerte Studienzeit einzig der Finanzierung des Studiums geschuldet ist und zahlreiche Nebenjobs den Abschluss verzögerten, kann auch das positiv dargestellt werden. Schließlich zeugt die eigenständige Finanzierung des Studiums von Belastbarkeit, Durchhaltevermögen und Verantwortung. Ein Job neben dem Studium ist immer eine doppelte Belastung. Wer also trotz Berufstätigkeit ein Studium abschließt, beweist eine große Portion Ehrgeiz und Ausdauer. Eigenschaften, die jeden Personaler jubeln lassen.

Auch hier gilt zudem wieder: Zusätzliche Jobs sollte man nicht als Verzögerungen, sondern als Erfahrungsgewinn verkaufen.

5.) Bewusste Entscheidung

Ein Langzeitstudium kann auch als Vorsatz verkauft werden. Wer sich gegen einen eng getakteten Studienablauf entschieden und Zeit für Berufserfahrung und einen Auslandsaufenthalt eingeplant und zudem neben Pflichtseminaren immer wieder Kurse gewählt hat, die ihn persönlich interessiert haben, beweist dadurch, dass ihm der Blick über den Tellerrand hinaus wichtiger ist als ein Studium im Eilverfahren. Viele Personaler wissen genau dies zu schätzen.

6.) Familiäre Umstände

Wer während des Studiums Vater oder Mutter wurde oder aber die Pflege eines erkrankten Familienmitgliedes übernommen hat, kann dies ebenfalls als Begründung für das Langzeitstudium heranziehen. Wer Kleinkind bzw. die Pflege eines Familienmitglieds und Studium unter einen Hut bekommt, beweist schließlich Stärke, Organisationsvermögen und Belastbarkeit. Da wird der Personaler sicherlich darüber hinwegsehen, dass man das ein oder andere Semester länger studiert hat. Und abgesehen davon: Auch wenn das Studium etwas länger gedauert hat, zeigt doch die konsequente Verfolgung eines bestimmten Berufsziels Ausdauer und Willensstärke.

Generell gilt:

In einer Bewerbung sollte man das Langzeitstudium niemals einfach unkommentiert lassen. Wer im Anschreiben nicht darauf eingeht, lässt dem Personaler zu viel Raum für Mutmaßungen und Spekulationen und läuft Gefahr, „Opfer“ der bereits erwähnten Assoziationen zu werden, die dem Personaler bei einem Langzeitstudenten ggf. in den Sinn kommen könnten. Und hat sich der Personaler erst einmal eigene Gedanken gemacht, sinkt die Chance auf eine Einladung zum Vorstellungsgespräch womöglich erheblich.

Für Langzeitstudenten gilt daher im Grunde folgender Leitsatz: Angriff ist die beste Verteidigung!

Fazit

Es ist kein Weltuntergang, Brüche im Werdegang zu haben – solange man eine plausible Erklärung dafür hat. Auslandsaufenthalte, Berufstätigkeit oder Freiwilligenarbeit beispielsweise zeugen von sozialer Kompetenz, Ehrgeiz, Verantwortung et cetera und stellen somit sogar einen Mehrwert dar. Wer die Länge des Studiums begründen kann, kann Bedenken seitens des Arbeitgebers daher meist aus dem Weg räumen.

Wichtig ist es jedoch, ehrlich, souverän und transparent mit dem Langzeitstudium umzugehen. Dann klappt es auch mit dem Job!

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