Bewerbung ohne Anschreiben: Vor- und Nachteile

Der Lebenslauf ist das Herzstück einer Bewerbung – da sind sich alle Experten einig. Ohne ein gut formuliertes Anschreiben geht es aber auch nicht! Oder doch? Nun, bei diesem Punkt scheiden sich seit einiger Zeit die Geister. Daher haben wir euch in diesem Artikel einmal die Vor- und Nachteile einer Bewerbung ohne Anschreiben zusammengestellt!

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Arbeitsmarktstudie ergab, dass mehr als die Hälfte der befragten Personalentscheider auch Bewerbungen ohne Anschreiben berücksichtigen
  • 48 Prozent der Personaler finden Anschreiben ohnehin nicht besonders aussagekräftig, 32 Prozent bemängeln, dass die Schreiben keine Zusatzinformationen gegenüber dem Lebenslauf beinhalten
  • Viele namhafte Unternehmen verzichten bereits bewusst auf ein Anschreiben bei der Bewerbung (z.B. Deutsche Bahn, Rossmann, Otto) und setzen stattdessen auf Motivationsfragen o.ä.

Arbeitsmarktstudie: Welchen Wert das Anschreiben für Personaler hat

Eine Arbeitsmarktstudie des Personaldienstleisters Robert Half brachte bereits 2017 Überraschendes zutage: Immer mehr Personalverantwortliche legen nur wenig Wert auf das Anschreiben im Rahmen einer Bewerbung. Vor allem deshalb, da viele Anschreiben keinen Mehrwert bieten und somit schlichtweg wenig hilfreich bei der Beurteilung eines Jobkandidaten sind – so der überwiegende Tenor der Befragten.

Viele der für die Studie befragten 500 Manager gaben daher an, dem Anschreiben keine allzu große Aufmerksamkeit zu widmen. 48 Prozent der Personaler finden Anschreiben nicht besonders aussagekräftig. Für 39 Prozent der Personalverantwortlichen sind Anschreiben zu sehr subjektiv und 32 Prozent bemängeln, dass die Schreiben keinerlei Zusatzinformationen gegenüber dem Lebenslauf beinhalten. 23 Prozent der Befragten gaben zudem an, die Informationen in den Anschreiben seien nicht verlässlich. Und 15 Prozent der Personaler räumten bei der Befragung ein, gar keine Zeit zu haben, Anschreiben zu lesen.

Die Arbeitsmarktstudie legt also die Erkenntnis nahe, dass eine Bewerbung ohne Anschreiben im Grunde genauso gut funktioniert wie eine Bewerbung mit Anschreiben. Mehr als die Hälfte der befragten Personalentscheider (59 Prozent) gaben an, mittlerweile auch Bewerbungen ohne Anschreiben zu berücksichtigen. Weshalb also sollte man sich als Bewerber mit dem Verfassen eines Anschreibens aufhalten? Wäre es nicht sinnvoller, stattdessen dem Lebenslauf noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken?

Nun, ein Anschreiben hat durchaus auch großes Potenzial, das sollte man nicht vergessen. Ein richtig gut verfasstes Anschreiben kann die Chancen auf den Job nämlich erhöhen. Aber eben nur dann, wenn es auch einen Mehrwert bietet. Und glaubt man den im Rahmen der Arbeitsmarktstudie befragten Managern, ist dies eben nur bei wenigen Anschreiben tatsächlich gegeben.

Welche Vorteile eine Bewerbung ohne Anschreiben bietet und welche Nachteile sich unter Umständen daraus ergeben könnten, das möchten wir euch im Folgenden gerne einmal aufzeigen. Entscheidet im Anschluss einfach selbst, ob für euch die Vorteile oder die Nachteile schwerer wiegen!

Die Vor- und Nachteile einer Bewerbung ohne Anschreiben

Vorweg sei gesagt, dass sich ein Anschreiben zweifellos positiv auf eine Bewerbung auswirken kann. Aber: Ein Anschreiben kann eben auch Nachteile bergen – wenn es nicht präzise und knackig genug formuliert ist. In diesem Fall macht man sich vorab viel Mühe für nichts. Es ist also durchaus eine Überlegung wert, auf das Anschreiben zu verzichten. Damit ihr euch richtig entscheidet, möchten wir euch im Folgenden nun einmal die Vor- und Nacheile einer Bewerbung ohne Anschreiben aufzeigen.

Die Vorteile einer Bewerbung ohne Anschreiben:

1. Zeitersparnis

Der wohl größte Vorteil einer Bewerbung ohne Anschreiben liegt klar auf der Hand: die Zeitersparnis! Denn vielen Bewerbern fällt es schwer, ein ansprechendes, präzises und gut formuliertes Anschreiben zu verfassen. Sie feilen daher eine gefühlte Ewigkeit an dem Brief, nur um letztlich doch auf Standard-Floskeln zu setzen.

2. Keine Floskeln

Womit wir auch schon beim nächsten Vorteil einer Bewerbung ohne Anschreiben wären. Wird auf das Anschreiben verzichtet, werden Personaler nicht mehr mit Floskeln und Standardformulierungen konfrontiert, die sie in jeder zweiten Bewerbung zu lesen bekommen. Für die Personalverantwortlichen hat dies also den Vorteil, keine Zeit mehr mit dem Lesen standardmäßiger Anschreiben vergeuden zu müssen. Eine Bewerbung ohne Anschreiben spart also auch ihnen Zeit.

3. Keine negativen Assoziationen

Dem Director Business Development bei der Personalberatung SThree, Luuk Houtepen,  zufolge, ruft vor allem ein sehr langes Anschreiben bei Personalern den Verdacht hervor, dass der Bewerber womöglich eine niedrige Kompetenz aufweist. Denn in diesem Fall „vermarktet sich [der Bewerber] klassisch statt modern und braucht viele Worte, um sich darzustellen“, so Luuk Houtepen. Und oftmals schwingt hierbei einfach – salopp gesagt – die weit verbreitete Meinung mit: redet viel, steckt aber nichts dahinter. In diesem Fall wäre ein Bewerber also tatsächlich besser beraten gewesen, der Bewerbung kein Anschreiben beizufügen. Denn Bewerbungen ohne Anschreiben wecken – zumindest diesbezüglich – keine negativen Assoziationen.

4. Mehr Persönlichkeit

Des Weiteren bemängeln Personaler, wie auch die eingangs erwähnte Arbeitsmarktstudie verdeutlicht, dass Anschreiben oftmals nur über wenig Aussagekraft verfügen. Die Formulierungen im Anschreiben wiederholen sich und bestimmte Floskeln finden sich in jeder zweiten Bewerbung wieder. Der praktische Nutzen eines solchen (Standard-)Anschreibens ist daher gering. Kein Wunder also, dass viele Personalverantwortliche dem Anschreiben lediglich einen kurzen Blick widmen. Schließlich bieten die meisten Anschreiben eben tatsächlich nichts Neues. Und wegen der formalen Kriterien eines klassischen Anschreibens ist es häufig einfach schwer bis unmöglich, die Persönlichkeit hinter einer Bewerbung zu erkennen.

5. Das Wesentliche (die Fähigkeiten und Berufserfahrung im Lebenslauf) steht im Vordergrund

Und abgesehen davon: Gerade in handwerklichen Berufen, in denen Fachkräftemangel besteht (z.B. Mechaniker, Schlosser, Elektriker, Frisör etc.), sind ohnehin keine Formulierungskünste gefragt. Hier geht es nicht darum, wie ein mögliches Anschreiben formuliert ist, sondern in erster Linie um Fähigkeiten und Berufserfahrung. Und diese können ganz einfach dem Lebenslauf entnommen werden. Vor allem im Handwerk ist das Anschreiben lediglich ein formales Beiwerk, das zwar meist (noch) zum Standard gehört, jedoch eher eine untergeordnete Rolle spielt. Ob ein Kandidat persönlich zur Position passt und über die fachliche Eignung verfügt, kann ohnehin nur in einem Gespräch und ggf. bei einem Probearbeitstag herausgefunden werden. In diesem Fall ist das Anschreiben oftmals lediglich eine Art Fleißarbeit, die letztlich aber keinen höheren Wert aufweist als rein das Erfüllen des Bewerbungsstandards. Verzichtet ein Unternehmen auf ein Anschreiben, spart das sowohl dem Bewerber als auch dem Personaler viel Zeit und Mühe.

✔ Die Vorteile auf einem Blick:

  • Eine Bewerbung ohne Anschreiben spart sowohl dem Bewerber als auch dem Personaler Zeit
  • Wird kein Anschreiben verlangt, senkt das die Hürde für die Bewerbung, denn vielen Bewerbern fällt das Verfassen eines präzisen Anschreibens schwer
  • Der Personaler wird mit weniger Floskeln konfrontiert
  • Für viele Berufsgruppen (vor allem im Handwerk) ist das Anschreiben ohnehin keine Arbeitsprobe, da sie in ihrem Beruf nicht gut schriftlich formulieren können müssen; in diesem Fall ist ein Anschreiben also im Grunde ohnehin nicht entscheidend
  • Die Motivation und die Eignung können ohnehin besser in einem persönlichen Gespräch geklärt werden

Die Nachteile einer Bewerbung ohne Anschreiben

1. Nicht in allen Branchen gerne gesehen

Um es ganz deutlich zu sagen: In vielen (vor allem konservativen) Branchen ist ein Anschreiben nach wie vor Standard. Daher sollte man zunächst abklären, ob Bewerbungen ohne Anschreiben überhaupt berücksichtigt werden. Wer auf ein Anschreiben verzichtet, obwohl es bei dem jeweiligen Unternehmen Usus ist, manövriert sich unter Umständen selbst ins Aus. Ohne die Gepflogenheiten eines Unternehmens zu kennen, ist eine Bewerbung ohne Anschreiben daher immer ein Risiko.

2. Keine Gelegenheit, Motivation darzustellen

Abgesehen davon: Wer auf ein Anschreiben verzichtet, verzichtet auch auf die Gelegenheit, die eigene Motivation darzustellen. Das ist insbesondere dann ein Nachteil, wenn der Lebenslauf eigentlich nicht optimal zur Stellenausschreibung passt. In diesem Fall sollte die Bewerbung besser nicht ohne Anschreiben erfolgen. Denn dann gilt es zu erklären, weshalb man sich dennoch für die Stelle interessiert und welche Qualifikationen man mitbringt bzw. wodurch man dem Unternehmen einen Mehrwert bieten könnte. Verzichtet man auf ein Anschreiben, obwohl der Lebenslauf nicht optimal zur ausgeschriebenen Stelle passt, läuft man Gefahr direkt auf dem „Nein“-Stapel des Personalers zu landen.

3. Fehlende Vorbereitung fürs Vorstellungsgespräch

Wer der Bewerbung kein Anschreiben beifügt, überspringt einen wesentlichen Punkt bei der Bewerbung: sich Gedanken zur Motivation zu machen. Denn genau hierüber denkt man beim Verfassen eines guten Anschreibens nach. Und das Verschriftlichen hilft, die eigenen Gedanken auf den Punkt zu bringen und im Vorstellungsgespräch besser vortragen zu können. Wer sich erst kurz vor dem Jobinterview Gedanken zur Motivation macht, läuft Gefahr ins Stottern zu geraten.

4. Keine Möglichkeit sich abzuheben

Und abgesehen davon verzichtet man ohne Anschreiben auch auf die Möglichkeit sich gezielt von den anderen Bewerbern abzuheben und die eigenen Stärken und Kompetenzen zu unterstreichen und hervorzuheben.

✖ Die Nachteile auf einem Blick:

  • In vielen Branchen zählt ein Anschreiben bei der Bewerbung nach wie vor zum Standard
  • Ohne die Gepflogenheiten zu kennen, die in einem Unternehmen herrschen, birgt eine Bewerbung ohne Anschreiben durchaus ein Risiko
  • Wer auf ein Anschreiben verzichtet, verzichtet auch auf die Gelegenheit, die eigene Motivation darzustellen
  • Wer kein Anschreiben verfasst, macht sich unter Umständen nicht genug Gedanken zur Motivation und gerät im Vorstellungsgespräch ins Stottern
  • Ohne Anschreiben verzichtet man auf die Möglichkeit sich von anderen Bewerbern abzuheben

Beispiele: Diese Unternehmen verzichten bewusst auf das Anschreiben

Die Deutsche Bahn kündigte im Jahr 2018 an, künftig von bestimmten Bewerbern keine Anschreiben mehr zu verlangen. Dass einer der größten Arbeitgeber Deutschlands vom klassischen Anschreiben Abstand nimmt, spricht im Grunde Bände. Zumal auch viele weitere renommierte Unternehmen bereits auf das Anschreiben verzichten – zum Teil bereits seit Jahren.

Die Drogeriemarktkette Rossmann beispielsweise und das Versandunternehmen Otto, um zwei namhafte Unternehmen anzuführen, verlangen von ihren Bewerbern ebenfalls ganz bewusst kein Anschreiben mehr. Der Gedanke dahinter: Man möchte es den Bewerbern so bequem wie möglich machen, um Hürden bei der Bewerbung abzubauen. Denn eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov hat ergeben, dass 44 Prozent der Jobsuchenden Schwierigkeiten bei der Formulierung eines Anschreibens haben. Somit stellt das Anschreiben für viele tatsächlich eine Hürde dar. Der Verzicht auf das Anschreiben soll daher den Bewerbungsprozess vereinfachen.

Als Ersatz für das ungeliebte Anschreiben führen viele Unternehmen konkrete Motivationsfragen ein, die es zu beantworten gilt, z.B. „Warum ich?“ oder „Warum will ich diesen Job haben?“. Und glaubt man den Unternehmen, die diese Variante bereits eingeführt haben, sind Motivationsfragen wesentlich aussagekräftiger als ein Anschreiben. Statt standardmäßig ausgeschmücktem Brief erfahren die Personaler durch die Motivationsfragen deutlich mehr über die persönlichen Beweggründe der Bewerber.

Hinter dem Verzicht auf ein Anschreiben steckt jedoch auch das verschobene Machtverhältnis zwischen Bewerbern und Unternehmen. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist für viele Menschen so gut wie seit Anfang der 1990er Jahre nicht mehr. Viele Unternehmen suchen daher händeringend Leute – und konkurrieren dabei um neue Kollegen. Die Folge: Potenzielle Jobkandidaten werden umworben, wissen, wie viel sie wert sind und werden passiver. Auch deshalb gehen Unternehmen dazu über, Bewerbern das Bewerbungsverfahren zu erleichtern.

Weitere Unternehmen, die (mit Einschränkungen) auf Anschreiben verzichten, sind z.B.:

  • Henkel
  • Lufthansa
  • SAP
  • Telefónica Deutschland

Aber: Auf ein Anschreiben sollte man (bisher noch) wirklich nur verzichten, wenn man ganz sicher ist, dass sich dadurch kein Nachteil ergibt. Es gilt also vorab zu klären, welche Bewerbungsstandards beim jeweiligen Unternehmen, bei dem man sich bewirbt, vorherrschen. Das sei an dieser Stelle noch einmal explizit erwähnt!

Fazit

Inwiefern man auf ein Anschreiben verzichtet, muss jeder selbst entscheiden. Wichtig ist jedoch, sich vorab über die Gepflogenheiten des Bewerbungsprozesses zu informieren, die im jeweiligen Unternehmen herrschen. In konservativeren Branchen ist ein Anschreiben nach wie vor Standard – es sei denn das Unternehmen gibt explizit eine andere Richtlinie vor (z.B. in Form von Motivationsfragen).

Eine Bewerbung ohne Anschreiben birgt also sowohl Vor- als auch Nachteile. Betonen möchten wir an dieser Stelle jedoch noch einmal, dass ein präzise formuliertes und mit Referenzen unterfüttertes Anschreiben trotz abnehmender Relevanz nach wie vor bei vielen Personalern die Wahrscheinlichkeit auf eine Einladung zum Vorstellungsgespräch erhöht. Allerdings kann ein schlecht formuliertes Standard-Anschreiben eben auch das Gegenteil bewirken.

Ob man die Bewerbung mit oder ohne Anschreiben einreicht, sollte daher gut durchdacht sein!

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