Du bist unzufrieden in deinem Job und überlegst, ob du dich beruflich noch einmal neu orientieren sollst? Aber du bist unsicher, ob du mit 35 nicht zu alt für diesen Schritt bist? Es gibt in der Tat Gründe, die dagegen sprechen. Aber noch mehr Gründe, die dafür sprechen. Welche das sind, verraten wir dir in diesem Artikel!
Eigentlich warst du froh, endlich im Berufsleben angekommen zu sein. Nie wieder die Schulbank drücken, nie wieder lernen. Nur macht dein Job dich nicht glücklich. Und du haderst damit, dass du dich „damals“ nicht für einen anderen Berufsweg entschieden hast.
So geht es vielen. Wer weiß mit 16, 18 oder 20 schon, wie er den Rest seines Arbeitslebens verbringen möchte. Dennoch quälen sich viele Arbeitnehmer Tag für Tag zur Arbeit – wohl wissend, dass ihr Job sie nicht erfüllt. Das muss nicht sein! Eine Umschulung kann der Ausweg aus diesem beruflichen Hamsterrad sein.
Was spricht gegen eine Umschulung mit 35, was dafür?
Gründe für eine Umschulung gibt es viele. Du bist unzufrieden im Job. Oder vielleicht bist du von Arbeitslosigkeit bedroht oder schon länger arbeitslos. Möglicherweise kannst du deinen Beruf aus gesundheitlichen Gründen bald nicht mehr ausüben. Oder du leidest psychisch unter dem Stress und der Unzufriedenheit in deinem Job. Ganz gleich, was auf dich zutrifft, eine Umschulung ist eine gute Option, um dieser beruflichen Misere zu entkommen. Du hast Zweifel? Vielleicht können wir dir deine Bedenken nehmen! Wir sagen dir was für und was gegen die Umschulung spricht!
Der Karrierezug ist abgefahren – oder doch nicht?
Mit 35 noch einmal von vorn anfangen? Vielen fehlt der Mut dafür. Gegen die jungen Jobkonkurrenten, die nach und nach auf den Arbeitsmarkt drängen, rechnen sie sich kaum Chancen aus. Der Karrierezug ist mit Mitte dreißig ohnehin bereits abgefahren – glauben sie…
Aber: 35 ist im Grunde das perfekte Alter, um sich beruflich noch einmal neu zu erfinden. Wenn du jetzt eine Umschulung beginnst, hast du in rund zwei Jahren die Chance, in einem neuen Beruf durchzustarten. Dann hast du immer noch 25 bis 30 Berufsjahre vor dir. Genug Zeit, um sogar noch einmal die Karriereleiter zu erklimmen. Sofern du das möchtest. In erster Linie geht es bei einer Umschulung darum, der beruflichen Monotonie zu entkommen. Oder möchtest du weitere 30 Jahre in einem Job arbeiten, der dich nicht glücklich macht oder dir keine Perspektive bietet? Sicher nicht!
Abgesehen davon: Durch eine Umschulung erhöhst du deine Karrierechancen sogar. Denn du kannst dich anschließend auf verschiedene Stellen bewerben – in deinem alten und deinem neuen Beruf.
Mit zunehmendem Alter fällt das Lernen schwerer – aber ist 35 schon alt?
Mit zunehmendem Alter fällt es uns schwerer, uns neues Wissen anzueignen. Verschiedene Studien belegen, dass wir zwischen 28 und 32 Jahren den Höhepunkt unserer Leistungsfähigkeit erreichen. Zumindest in puncto schnelles, analytisches Denken. Abgesehen davon bist du schon lange „raus“ aus dem Lerntrott. Deine Abschlussprüfung ist vermutlich schon länger her. Du musst also erst wieder lernen, zu lernen.
Aber: Mit 35 liegst du nur unwesentlich über dieser (laut Studien) „geistigen Blütezeit“. Welchen Unterschied sollen diese drei Jährchen schon machen!? Außerdem gibt es kaum eine Studie ohne Gegenstudie. In einem 2020 in der Fachzeitschrift „PNAS“ veröffentlichten Artikel heißt es, dass die geistige Leistungsfähigkeit im Alter von 35 Jahren ihren Höhepunkt erreicht und erst nach dem 45. Lebensjahr wieder abnimmt. Glaubt man der Studie, die diesem Artikel zugrunde liegt, ist 35 das ideale Alter für einen Neuanfang.
Abgesehen davon: Selbst wenn das Lernen Jüngeren leichter fällt, machst du vieles durch deine persönliche Reife wieder wett. Gegenüber jüngeren Auszubildenden hast du hier klar die Nase vorn.
In einem neuen Job musst du dir erst wieder eine gewisse Akzeptanz erarbeiten – aber ist das so schlimm?
Im Alter von 35 Jahren hast du dir vermutlich ein gewisses Renommee im Job und unter deinen Kollegen erarbeitet. Du beherrschst deine Aufgaben aus dem Effeff. Den Beruf zu wechseln, bedeutet einen kompletten Neuanfang. Du beginnst bei null, musst dir die Akzeptanz deines neuen Arbeitgebers und deiner Kollegen erst erarbeiten. Das kann einem durchaus Angst machen.
Aber: Ist die Angst, weitere 25 bis 30 Jahre in einem ungeliebten Job zu verharren, nicht größer!? Abgesehen davon wirkt sich deine Unzufriedenheit womöglich früher oder später auf deine Leistung aus. Je länger du in einem Job verharrst, der dich nicht befriedigt, desto schwerer fällt es dir, dich selbst zu motivieren. Erledigst du deine Arbeit nur noch nach Vorschrift oder sogar halbherzig, könnte die Akzeptanz, die du dir erarbeitet hast, früher oder später ohnehin leiden. So lange solltest du nicht warten.
Du musst mit finanziellen Einbußen rechnen – aber lässt sich das nicht irgendwie hinbekommen?
Aus finanzieller Sicht ist eine Umschulung ebenfalls heikel. Du musst in der Regel selbst dafür aufkommen. Eine Umschulung wird nur finanziert, wenn triftige gesundheitliche oder arbeitsmarktpolitische Gründe vorliegen, die einen beruflichen Wechsel erforderlich machen. Wenn du aus rein privaten Gründen eine Umschulung anstrebst, musst du selbst für die Umschulung und deinen Lebensunterhalt aufkommen.
Aber: Eine Umschulung ist in Voll- und Teilzeit möglich. Du kannst sie auch online oder an der Abendschule absolvieren. Dann gehst du weiterhin arbeiten und dein Lebensunterhalt ist gewährleistet. Welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit die Umschulung durch die Bundesagentur für Arbeit, das Jobcenter oder die Rentenversicherung gefördert wird, erklären wir dir später.
Du hast einen Bruch im Lebenslauf – aber ist das heutzutage nicht normal?
Wenn du dich mit 35 neu orientierst, hast du einen Bruch im Lebenslauf. Diesen Bruch wirst du bei künftigen Bewerbungen erklären müssen. Es gibt Personalentscheider, die einen kompletten Neuanfang mit Sprunghaftigkeit und mangelnder Zielgerichtetheit assoziieren. Möglicherweise wirst du gar nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen.
Aber: Die wenigsten Lebensläufe sind heute linear. Wer einen beruflichen Neustart wagt, beweist einen starken Willen, Durchhaltevermögen und Flexibilität. Mit deiner Umschulung signalisierst du, dass du bereit bist dich weiterzuentwickeln und dich Neuem nicht verschließt. Der Lebenslauf, der von der Ausbildung bis zum Eintritt in die Rente bei einem Arbeitgeber verläuft, ist ohnehin nicht mehr die Regel.
Zwischenfazit: Pro oder Contra – was überwiegt?
Es gibt in der Tat Gründe, die gegen eine Umschulung mit 35 sprechen. Zumindest, wenn man danach sucht. Im Grunde lassen sich alle diese Gründe entkräften. Aus finanzieller Sicht birgt eine Umschulung zwar beispielsweise in der Tat ein Risiko. Aber auch dafür lassen sich Lösungen finden. Vielleicht kann deine Umschulung ja sogar gefördert werden. Informiere dich, ob eine Förderung möglich ist. Das ist der erste Schritt. Dann kannst du immer noch entscheiden, ob du den Mut für eine Neuorientierung aufbringst! Eines ist sicher: Wenn du unglücklich im Job bist, wirkt sich das auf dein komplettes Leben aus. Durch eine Umschulung kannst du für mehr Lebensqualität sorgen.
Die Umschulung in die Wege leiten: So solltest du vorgehen
Wenn du eine Umschulung planst, sollte die Bundesagentur für Arbeit dein erster Ansprechpartner sein. Unter bestimmten Voraussetzungen wird deine Umschulung gefördert, wenn sie mit einem anerkannten Abschluss endet. Die Mitarbeiter der Agentur für Arbeit können in jedem Einzelfall entscheiden, ob sie eine Umschulung für sinnvoll erachten und finanzieren. Falls folgende Gründe auf dich zutreffen, stehen deine Chancen nicht schlecht:
- Du hast gesundheitliche Probleme: Du kannst deinen Beruf aus physischen Gründen (etwa Rückenprobleme, Allergien) nicht mehr ausüben.
- Du hast psychische Probleme: Du leidest unter deinem Job. Der Stress und die Unzufriedenheit führen zu psychischen Problemen.
- Deine beruflichen Zukunftsaussichten sind schlecht: Du arbeitest in einer Branche, die stark im Umbruch steht, etwa durch Auslagerungen ins Ausland oder technische Entwicklungen, die den Job „überflüssig“ machen.
- Du bist schon lange arbeitslos: Durch eine Umschulung hättest du die Möglichkeit, dauerhaft in ein sozialversichertes Arbeitsverhältnis zu gelangen.
Sollte bei dir keiner dieser Gründe „greifen“, musst du die Umschulung in der Regel selbst bezahlen. Du hast aber die Möglichkeit dir einen Teil deiner Investition über die Weiterbildungsprämie der Bundesagentur für Arbeit zurückzuholen. (Darauf kommen wir gleich noch mal zurück.)
Im zweiten Schritt solltest du dich entscheiden, ob du eine betriebliche oder eine schulische Umschulung absolvieren möchtest. Beides ist möglich.
Betrieblich oder schulisch? Diese Optionen hast du!
Du kannst die Umschulung in einem Betrieb absolvieren oder bei einer Bildungseinrichtung. Welche Möglichkeit du bevorzugst, ist Geschmacksache.
Betriebliche Umschulung:
Eine betriebliche Umschulung wird vom Betrieb vergütet. Allerdings gleicht die Vergütung einem Azubi-Gehalt. Du musst dich finanziell in dieser Zeit einschränken. Das praktische Wissen lernst du im Betrieb, die theoretischen Kenntnisse werden dir in der Berufsschule vermittelt. Im Verhältnis zu einer regulären Ausbildung ist eine Umschulung um ein Drittel kürzer. Eine Umschulung in einem anerkannten dreijährigen Ausbildungsberuf dauert in der Regel zwei Jahre. Ausbildungsplätze für betriebliche Umschulungen findest du über die Jobsuche der Bundesagentur für Arbeit.
Falls die Arbeitsagentur die betriebliche Umschulung fördert, erhältst du zusätzlich zur Vergütung Arbeitslosengeld. Auch Lernmittel, Fahrt- und Übernachtungskosten werden unter bestimmten Voraussetzungen übernommen.
Umschulung in einer Bildungseinrichtung:
Alternativ kannst du die Umschulung an einer Berufsschule oder einer privatwirtschaftlichen Bildungseinrichtungen absolvieren. Solche Umschulungen werden nicht vergütet. Die theoretischen Inhalte erwirbst du in der Bildungseinrichtung, das praktische Wissen wird dir in der Regel durch Praktika in Betrieben vermittelt. Wie viel Zeit die Umschulung in Anspruch nimmt, hängt vom Abschluss und der Bildungseinrichtung ab. In der Regel musst du auch hier zwei Jahre einplanen. Wenn du die Umschulung in Teilzeit absolvierst, dauert sie länger.
Falls die Arbeitsagentur die Umschulung fördert, übernimmt sie die Kosten. Du kannst zudem Arbeitslosengeld erhalten. Solltest du aus gesundheitlichen Gründen eine Umschulung machen, springen unter bestimmten Voraussetzungen das Jobcenter oder die Rentenversicherung für die Kosten ein.
Keine Förderung möglich?
Oft müssen die Kosten für die Umschulung selbst getragen werden. Umschulungen sind aber meist in Teilzeit möglich. Du kannst sie auch online oder per Abendschule absolvieren und hast tagsüber Zeit, arbeiten zu gehen und deinen Lebensunterhalt zu sichern. Anstrengend ist das allemal. Aber die Anstrengung lohnt sich!
Darauf solltest du bei der Wahl der Umschulungsmaßnahme achten
Wichtig ist, dass du dich für eine Umschulung entscheidest, bei der du einen anerkannten Abschluss im angestrebten Berufsfeld erwerben kannst. Der Kurs sollte mit einer bundesweit – oder sogar EU-weit – anerkannten Prüfung und dem Erhalt eines entsprechenden Prüfungszeugnisses abschließen.
Bestenfalls kannst du bei deiner Umschulung auch reichlich Praxiserfahrung sammeln. Manche Anbieter wie WBS Training setzen hierbei auf virtuelle Übungsfirmen. Eine tolle Sache. So kannst du in einem simulierten Online-Unternehmen in die Mitarbeiterrolle schlüpfen und in deinen künftigen Tätigkeitsbereich hineinschnuppern.
Fazit
Wir finden, für einen beruflichen Neustart ist es nie zu spät! Du solltest nicht bis zu deiner Rente in einem Beruf „dahinvegetieren“, der dich nicht erfüllt. Eine Umschulung kann der Ausweg aus deiner beruflichen Sackgasse sein – wenn du dich traust. Etwas Risiko gehört zu einem Neustart einfach dazu.
Denkt ihr über eine Umschulung nach? Oder habt ihr bereits eine Umschulung gemacht? Wir freuen uns über eure Erfahrungsberichte und Kommentare!
Unsere Autorin Patricia Schlösser-Christ studierte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und arbeitete anschließend an der Volkshochschule Worms. Als Kulturanthropologin M.A. widmet sie sich seither dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung / Weiterbildung und hat dabei auch die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt stets im Blick.