Einer Studie zufolge, die die Bundesregierung als Antwort auf eine „Kleine Anfrage“ der Linksfraktion im Bundestag in Auftrag gab, arbeiten 25 Prozent der Beschäftigten hierzulande auch am Wochenende. Für jeden vierten Arbeitnehmer ist Wochenendarbeit daher eher die Regel als die Ausnahme. Auch atypische Arbeitszeiten abends oder nachts sind in Deutschland laut Studie weit verbreitet. All dies zieht Folgen für die Gesundheit und das Sozialleben nach sich.
Wie sich Wochenendarbeit und atypische Arbeitszeiten konkret auswirken, das verraten wir euch im Folgenden!
Daten und Fakten zur Wochenendarbeit
Eine sogenannte „Kleine Anfrage“ der Bundestagsabgeordneten Jutta Krellmann (Die Linke) an die Bundesregierung ergab, dass 25 Prozent der insgesamt 37 Millionen Beschäftigten (Stand: 2017) in Deutschland „ständig oder regelmäßig“ am Wochenende arbeiten. Darüber hinaus gehört für fast 16 Prozent der Beschäftigten Schichtarbeit zum Alltag, für weitere 14 Prozent ist zudem Sonn- und Feiertagsarbeit die Regel. Neun Prozent der Beschäftigten arbeiten darüber hinaus „ständig oder regelmäßig“ nachts.
Solche sogenannten atypischen Arbeitszeiten stellen somit für jeden vierten Beschäftigten die Regel dar, nicht nur eine Ausnahme. Denn in vielen Branchen und Berufen sind Wechseldienste rund um die Uhr, sieben Tage die Woche der Normalfall. Das gilt natürlich in besonderem Maße für Beschäftigte in der Gastronomie, im Handel sowie in der Erholungs- und Unterhaltungsbranche. Aber auch weitere Berufsgruppen wie z.B. Polizisten, Feuerwehrleute, Landwirte oder Angestellte im Gesundheits- und Sozialwesen müssen regelmäßig auch am Wochenende zur Arbeit.
Ergebnisgrundlage: Mikrozensus 2017
Die Ergebnisse, die durch die Beantwortung der „Kleinen Anfrage“ zutage traten, basieren auf Angaben des Statistischen Bundesamts – genauer gesagt auf dem Mikrozensus aus dem Jahr 2017. In die Erhebung flossen jeweils die Daten von Beschäftigten ein, die angaben:
- an jedem Wochenende oder mindestens an zwei Wochenenden im Monat zu arbeiten
- an jedem oder mindestens an zwei Sonn- oder Feiertagen in den vergangenen vier Wochen vor der Befragung gearbeitet zu haben.
Darüber hinaus wurden all diejenigen in der Statistik erfasst, bei denen Schicht-, Abend- und Nachtarbeit mindestens die Hälfte aller Arbeitstage ausmacht, die also überwiegend zu atypischen Zeiten arbeiten.
Linken-Politikerin sieht Zunahme atypischer Arbeitszeiten
Für Jutta Krellmann, die durch ihre „Kleine Anfrage“ die Erhebung ins Rollen brachte, bilden die Zahlen einen Beleg dafür, dass Arbeitgeber mehr Zugriff auf die Lebenszeit der Bevölkerung gewinnen. Auch wenn ein Vergleich zu den Vorjahren auf Grundlage der Mikrozensusdaten durch eine Umstellung bei der Datenerhebung nur schwer zu treffen ist, spricht die Linkspartei von einer deutlichen Diskrepanz zum Jahr 2016 und einer bedenklichen Zunahme der Anzahl an Beschäftigten mit atypischen Arbeitszeiten – bedenklich vor allem in zweierlei Hinsicht: für die Gesundheit und das Sozialleben.
Folgen für die Gesundheit
Atypische Arbeitszeiten bergen in der Tat gesundheitliche Gefahren. Diverse Studien wie z.B. der Arbeitszeitreport der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin belegen, dass bei Beschäftigten mit atypischen Arbeitszeiten folgende Symptome häufiger auftreten als bei Beschäftigten mit klassischen Arbeitszeiten:
- Schlafstörungen
- Rückenschmerzen
- Müdigkeit bzw. körperliche Erschöpfung
- psychische Beschwerden bzw. emotionale Erschöpfung.
Allerdings weisen die Verfasser des Arbeitsreports darauf hin, dass sich nicht eindeutig sagen lässt, inwieweit diese Symptome tatsächlich (nur) mit der Wochenendarbeit zusammenhängen oder aber generell mit den (körperlichen) Belastungen in den Branchen, in denen Wochenendarbeit anfällt. Zumal Wochenendarbeit eben auch häufig mit Schicht- und Nachtarbeit einhergeht. Zieht man weitere Studien zu Rate, die sich mit den Auswirkungen der Wochenendarbeit auseinandersetzen, liegt der Schluss jedoch nahe, dass vor allem Sonntagsarbeit die oben gelisteten Symptome befeuert.
Auch eine repräsentative Umfrage zum Thema „Stressfaktor Wochenendarbeit“ im Auftrag des DGB ergab beispielsweise, dass Wochenendarbeit mit überdurchschnittlich viel Hetze und einem höheren Grad an Entgrenzung (d.h. der Auflösung von Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben) verbunden ist. Darüber hinaus geht Wochenendarbeit für die Beschäftigten, der Umfrage zufolge, häufig auch mit längeren Arbeitszeiten und einem höheren Anteil an Überstunden einher. Dennoch wird Wochenendarbeit laut DGB-Index Gute Arbeit immer mehr zur Regel, gleichzeitig steigt der Arbeitsstress überdurchschnittlich an.
Wochenendarbeit, vor allem Sonntagsarbeit, betrachten viele Experten daher skeptisch. Besonders in Verbindung mit Schicht- und Nachtarbeit kann sich das regelmäßige sonntägliche Arbeiten negativ auf die Gesundheit auswirken.
Folgen für das Sozialleben
Auch auf das Sozialleben wirken sich Wochenend-, Schicht- und Nachtarbeit aus. Susanne Ferschl, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, pflichtet ihrer Parteigenossin Jutta Krellmann bei und sieht in atypischen Arbeitszeiten ebenfalls eine Belastung sozialer Bindungen. Wer eine immer weitere Ausweitung der Arbeitszeiten fordere, der vergehe sich an den Beschäftigten und ihren Familien, so Ferschl in einer Rede im Bundestag. Sie beklagt demnach, dass Beschäftigte ihr Leben immer öfter den Interessen von Arbeitgebern und Marktzwängen unterordnen müssten – mit teils erheblichen Auswirkungen auf das Privatleben. Denn wohingegen das Wochenende und die Abenden für die meisten Beschäftigten die beste Gelegenheit für Zusammenkünfte bilden, können Beschäftigte mit atypischen Arbeitszeiten solchen Zusammenkünften häufig nicht beiwohnen. Wochenend- und Schichtarbeiter haben es somit ungleich schwerer, ihre sozialen und gesellschaftlichen Kontakte zu pflegen.
Besonders Beziehungen leiden unter atypischen Arbeitszeiten. Vor allem, wenn beide Partner vollkommen unterschiedliche Lebensrhythmen haben, ist es nahezu unmöglich, genug Zeit miteinander zu verbringen. Ein Problem, an dem viele Beziehungen scheitern.
Weitere Auswirkungen der Wochenendarbeit
Wochenend-, Schicht- und Nachtarbeit haben nicht nur Auswirkungen auf die Gesundheit und das Sozialleben. Auch auf die Zufriedenheit eines Beschäftigten wirken sich atypische Arbeitszeiten aus. Einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin zufolge, die sich auf Daten des sozio-ökonomischen Panels von 2013 stützt, sind Arbeitnehmer, die Wochenend-, Schicht- oder Nachtarbeit leisten müssen, im Schnitt mit ihrem Leben unzufriedener als andere Beschäftigte. Auf einer Skala von 0 bis 10 (0 bedeutet „sehr unzufrieden“, 10 bedeutet „sehr zufrieden“) liegt die Lebenszufriedenheit von Menschen, die samstags arbeiten, bei 7,22 gegenüber 7,31 bei denen, die nicht am Wochenende arbeiten.
Wochenendarbeit wirkt sich auf die Zufriedenheit mit dem Familienleben aus
Bei der konkreten Frage nach der Zufriedenheit mit dem Familienleben ist der Unterschied etwas deutlicher. Bei Beschäftigten mit atypischen Arbeitszeiten lag die Zufriedenheit mit dem Familienleben im Schnitt bei 7,65, bei Beschäftigten mit klassischen Arbeitszeiten bei 7,90. Zwar sind die Unterschiede zugegebenermaßen gering, nichtsdestotrotz belegt auch diese Studie, dass Wochenend-, Schicht- und Nachtarbeit durchaus Auswirkungen auf das Sozial- bzw. Familienleben und die Zufriedenheit, die wir verspüren, haben. Der DIW Wochenbericht „Macht Wochenendarbeit unzufrieden?“ kommt zudem zu der Schlussfolgerung, dass sich vor allem Sonntagsarbeit negativ auf die Lebens-, Gesundheits-, Familien- und Schlafzufriedenheit auswirkt.
Wochenendarbeit erschwert Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Ein weiteres Problem für Beschäftigte mit atypischen Arbeitszeiten stellt darüber hinaus die Kinderbetreuung dar. Vor allem für Alleinerziehende, die am Wochenende arbeiten, ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schwierig. Denn gerade am Wochenende ist die Kinderbetreuung oftmals ein Riesenproblem. Davon abgesehen: Während die Belastungen am Arbeitsplatz steigen, bleibt für Beschäftigte mit atypischen Arbeitszeiten gleichzeitig weniger Zeit für Erholung, Familie und Kinder – und auch dies bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Gesundheit und das Sozialleben.
Hat Wochenendarbeit auch Vorteile?
Atypische Arbeitszeiten bringen somit in mehrerlei Hinsicht Probleme mit sich. Sie haben Folgen für die Gesundheit und wirken sich zudem mitunter negativ auf das Sozialleben respektive die Beziehung aus. Demgegenüber stehen jedoch auch Vorteile, die Wochenend-, Schicht- und Nachtarbeit mit sich bringen.
Einkäufe, Behördengänge, Arztbesuche etc. lassen sich entspannt erledigen
Zum einen wird die Wochenend-, Schicht- oder Nachtarbeit meist mit einem oder zwei Ausgleichstagen in der Woche vergolten. Behördengänge und Einkäufe lassen sich auf diese Weise entspannt erledigen, da unter der Woche bei Behörden, in Städten und in Supermärkten meist wenig los ist. Schließlich gehen die meisten Beschäftigten dann ihrer Arbeit nach. Beschäftigte mit atypischen Arbeitszeiten haben also dann frei, wenn andere arbeiten. Und diesen vermeintlichen Nachteil kann man sich auch als Vorteil zunutze machen. Allerdings: Trotz Ausgleichstagen gibt es oft keinen zusammenhängenden Wochenendersatz. Und dies wiederum schmälert diesen Vorteil durchaus ein wenig.
Beschäftigte können von Zuschlägen profitieren
Ein weiterer Vorteil ist, dass Wochenend-, Schicht- und Nachtarbeit in vielen Branchen und Berufen besonders entlohnt werden. Beschäftigte mit atypischen Arbeitszeiten können daher oftmals von Wochenend- und Nachtzuschlägen profitieren. Allerdings gilt dies leider nicht für alle Beschäftigten. In der Gastronomie beispielsweise sind Wochenend- und Nachtzuschläge in der Regel nicht vorgesehen.
Auch wenn diese Vorteile die Nachteile aus Sicht vieler Beschäftigten eher nicht aufwiegen, sollten sie dennoch an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.
Fazit
Arbeiten am Wochenende ist für 25 Prozent der Beschäftigten, also für rund neun Millionen Menschen in Deutschland der Normalfall. In einigen Berufen können sich die Wochenendschichten finanziell durchaus lohnen, dennoch zahlen Beschäftigte im Wochenend-, Schicht- oder Nachtdienst langfristig gesehen unter Umständen einen hohen Preis – gesundheitlich und / oder gesellschaftlich.
Unsere Autorin Patricia Schlösser-Christ studierte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und arbeitete anschließend an der Volkshochschule Worms. Als Kulturanthropologin M.A. widmet sie sich seither dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung / Weiterbildung und hat dabei auch die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt stets im Blick.