Da arbeitet man sein ganzes Leben lang und dann das: kurz vor dem Erreichen des Renteneintrittsalters ereilt einen die Arbeitslosigkeit. Da ist der Frust verständlicherweise groß. Was man tun kann, wenn man mit 55 arbeitslos wird, das verraten wir euch in diesem Artikel!
Späte Arbeitslosigkeit – (K)ein Grund zur Panik
Eigentlich wollte man es nun etwas langsamer angehen lassen und sich in den letzten Arbeitsjahren auf die wohlverdiente Rente vorbereiten. So lautete der Plan. Eine späte Arbeitslosigkeit wirbelt diesen Plan jedoch gehörig durcheinander. Die Vorfreude auf die Rente weicht dem Frust und der Angst, auf dem Arbeitsmarkt keine Chance mehr zu haben. Mit Mitte fünfzig ist es schließlich alles andere als leicht, einen neuen Job zu finden. Dennoch ist eine späte Arbeitslosigkeit per se kein Grund zur Panik. Es gibt durchaus ein paar Tricks, die älteren Arbeitssuchenden bei der Stellensuche helfen können. Aber dazu später mehr. Zunächst einmal möchten wir euch aufzeigen, welche finanzielle Hilfe ihr im Falle einer späten Arbeitslosigkeit in Anspruch nehmen könnt.
Anspruch auf Arbeitslosengeld I:
Werden Arbeitnehmer mit 55 Plus arbeitslos, haben sie natürlich Anspruch auf Arbeitslosengeld I (ALG I). Über den Bezugsraum des ALG I entscheidet die Zahl der Beitragsjahre. Ältere Arbeitslose haben daher in der Regel einen deutlich längeren Arbeitslosengeld-Anspruch. Konkret gilt in diesem Fall:
- 50-Jährige können bis zu 15 Monate (bei 30 Beitragsmonaten) ALG I beziehen
- 55-Jährige können bis zu 18 Monate (bei 36 Beitragsmonaten) ALG I beziehen
- 58-jährige können 24 Monate (bei 48 Beitragsmonaten) ALG I beziehen.
Es gilt also zunächst einmal durchzuschnaufen und Ruhe zu bewahren. Bis zu 24 Monate ist die Zahlung von ALG I bei einer späten Arbeitslosigkeit gesichert.
Arbeitslosengeld II:
Arbeitslose, die aus dem Bezug des ALG I herausfallen, haben anschließend die Möglichkeit ALG II zu beantragen. Die Zeiten im Bezug von ALG II wirken sich hierbei nur noch indirekt auf die Rente aus. Bis Ende 2010 zahlte die Bundesagentur für Arbeit (BA) noch Beitrage an die Rentenversicherung, seit 2011 nicht mehr.
Ablauf:
Nach Erhalt der Kündigung oder sobald man weiß, dass das Arbeitsverhältnis endet, sollte man sich am besten umgehend persönlich bei der Bundesagentur für Arbeit Arbeit suchend melden, spätestens aber drei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Wer weniger als drei Monate vorher über den Jobverlust informiert wird, muss sich unbedingt innerhalb von drei Tagen bei der BA melden, um keine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld zu riskieren.
Nach Ende des Arbeitsverhältnisses folgt dann die Meldung als arbeitslos. Nun kann ein Antrag auf ALG I gestellt werden.
Arbeitslos mit 55: Diese staatlichen Programme greifen
Natürlich ist auch dem Staat bekannt, dass es Arbeitslose mit 55 (oder älter) auf dem Arbeitsmarkt schwer haben. Daher wurden in den vergangenen Jahren einige Programme ins Leben gerufen, die diesem Umstand entgegenwirken sollen. Im Folgenden möchten wir euch die Programme einmal vorstellen, die bei einer späten Arbeitslosigkeit greifen.
1. Eingliederungszuschuss
Um Arbeitgebern einen Anreiz zu schaffen, auch Arbeitslose mit 55 oder älter einzustellen, führte die Bundesagentur für Arbeit den sogenannten Eingliederungszuschuss ein. 36 Monate lang unterstützt die BA im Rahmen des Programms den neuen Arbeitgeber finanziell, indem bis zu 50 Prozent des Bruttolohns übernommen werden. Bei Arbeitsstellen, die über den Eingliederungszuschuss gefördert wurden, gilt zudem die sogenannte Nachbeschäftigungspflicht, d.h. der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer im Anschluss an die 36 Monate mindestens ebenso lange regulär beschäftigen.
Wer mit 55 (und älter) arbeitslos wird, sollte daher unbedingt bei seinem Sachbearbeiter nachfragen, ob er im Rahmen des Eingliederungszuschusses gefördert werden kann.
2. Existenzgründerzuschuss
Wer aus der Arbeitslosigkeit heraus die Selbständigkeit wagt, kann auch im hohen Alter von einem Existenzgründerzuschuss der BA profitieren.
Im Rahmen des Existenzgründerzuschusses erhält man monatlich (immerhin) 300 Euro für sechs Monate, zusätzlich zum Arbeitslosengeld I. Sind bestimmte Voraussetzungen erfüllt, kann der Bezug sogar auf weitere neun Monate erhöht werden.
Einen Rechtsanspruch auf den Existenzgründerzuschuss gibt es allerdings nicht. Die Förderung ist immer eine Einzelfallentscheidung.
3. Perspektive50plus
Vorweg: Das Programm „Perspektive50plus“ endete eigentlich im Jahr 2015. Doch noch heute bieten Jobcenter die „Perspektive50plus“ in gewisser Form an.
Das erklärte Ziel des Programms „Perspektive50plus“ war es, ältere Arbeitssuchende (zwischen 50 und 67) längerfristig in Arbeit zu vermitteln. Hierzu sollten ältere Arbeitnehmer gezielt gefördert und intensiver durch den jeweiligen Sachbearbeiter des Jobcenters oder der Bundesagentur für Arbeit betreut werden. Des Weiteren wurden im Rahmen des Programms 77 Beschäftigungspakte ins Leben gerufen, um auch regionale Möglichkeiten voll auszuschöpfen und ältere Langzeitarbeitslose vor Ort wieder in Arbeit zu bringen.
Obwohl das Programm bereits beendet wurde, besteht noch heute die Möglichkeit es zu nutzen – zumindest indirekt. Denn: Durch das Programm wurden zahlreiche Unternehmen bei den Jobcentern vorgemerkt, die die Bereitschaft signalisierten auch ältere Arbeitnehmer zu beschäftigen. Ist eines dieser vermerkten Unternehmen auf der Suche nach einem neuen Angestellten, besteht auch heute noch eine gute Chance, dass ein älterer Arbeitnehmer eingestellt wird.
Das Jobcenter nutzt also nach wie vor die Auswahl an regionalen Arbeitgebern, die im Rahmen des Programms zusammengetragen wurde. Arbeitslose höheren Alters können somit auch nach Ablauf des Programms unter Umständen von dem bestehenden großen, regionalen Netzwerk profitieren.
Was man selbst tun kann, um einen Job zu finden
Im Falle der Arbeitslosigkeit empfiehlt es sich immer auch selbst aktiv zu werden. Wer schnell wieder in die Erwerbstätigkeit zurückfinden möchte, sollte sich vor allem im höheren Alter nicht nur auf die Jobvermittlung der BA verlassen. Was man selbst tun kann, um einen Job zu finden bzw. die Chance auf einen Job zu erhöhen, möchten wir an dieser Stelle natürlich ebenfalls nicht unerwähnt lassen.
1. Jobmessen besuchen
Spezielle Jobmessen für erfahrene Arbeitnehmer bieten eine gute Möglichkeit, mit neuen Arbeitgebern in Kontakt zu kommen (z.B. job40plus). Wer schnell wieder in die Erwerbstätigkeit zurückfinden möchte, ist mit einem Besuch dieser Messen gut beraten.
Es empfiehlt sich übrigens, einen Bewerbungsflyer zu erstellen und diesen auf Jobmessen an potenzielle neue Arbeitgeber zu verteilen. So bleibt man den Personalern in besonders guter Erinnerung. Wie man einen Bewerbungsflyer erstellt, erfahrt ihr hier.
2. Lebenslauf auffrischen
Apropos Bewerbungsflyer. Natürlich sollte man als Neu-Arbeitsloser immer direkt den Lebenslauf auffrischen und ihn um die neuesten Fortbildungen et cetera erweitern. Wer den Lebenslauf aktuell hält und die neusten Lebenslauf-Standards berücksichtigt, erhöht natürlich die Chance zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Dem Lebenslauf sollte daher besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.
3. Ggf. Computerkenntnisse auffrischen
Viele Arbeitgeber sind auf Online-Bewerbungen umgestiegen. Kein Wunder, ist der Arbeitsmarkt der Zukunft doch digital. Ältere Arbeitnehmer stellt dies jedoch häufig vor eine zusätzliche Hürde. Daher ist es ratsam, einen Computerkurs zu machen, sollten einem die notwendigen PC-Kenntnisse fehlen. So schafft man diesen Stolperstein aus dem Weg. Und abgesehen davon: Freiwillige Fort- und Weiterbildungen zeugen stets von Engagement, Motivation und der Bereitschaft auch im betagten Alter dazuzulernen. Tugenden, die wohl jeder Arbeitgeber schätzt. Mit einem entsprechenden Bildungsgutschein der Bundesagentur für Arbeit kann man sich die Fort- bzw. Weiterbildung gegebenenfalls sogar bezahlen lassen.
4. Netwerk nutzen
Wer lange im Beruf war, konnte sicherlich ein großes Netzwerk aufbauen und viele Kontakte knüpfen. Genau das sollte man sich im Falle einer Arbeitslosigkeit mit 55 zunutze machen. Karrierenetzwerke wie Xing oder LinkedIn helfen dabei, diese sozialen Kontakte zu reaktivieren und Arbeitgeber darauf aufmerksam zu machen, dass man auf der Suche nach einem neuen Job ist. Alternativ kann man die Arbeitsbekanntschaften von früher natürlich auch persönlich kontaktieren und einfach mal nachfragen, ob jemand womöglich jemanden kennt, der jemanden kennt…
Alternative: Rente statt Arbeitslosigkeit
Mit 55 in Rente? Dieses Szenario stellt für die meisten Arbeitnehmer keine Option dar. Für die Jahrgänge ab 1964 liegt das reguläre Rentenalter schließlich bei 67 Jahren. Und für jeden Monat, den Erwerbstätige (und natürlich auch Arbeitslose) früher in Rente gehen, werden von der eigentlichen Rente 0,3 Prozent gekürzt. Das macht pro Jahr stattliche 3,6 Prozent. Und solche Einbußen können sich wohl die wenigsten Menschen leisten.
Abgesehen davon: Um überhaupt aus der Arbeitslosigkeit direkt in die Rente wechseln zu können, muss ein Arbeitnehmer 35 Beitragsjahre vorweisen können. Rente statt Arbeitslosigkeit ist also leider für die meisten Arbeitnehmer keine wirkliche Alternative!
Flexi-Rente
Eine Möglichkeit, trotz Abschlägen früher in Rente zu gehen, bietet das 2016 neu eingeführte Modell der Flexi-Rente, das es Arbeitnehmern ermöglicht Rentenminderungen abzufedern. Wer eine größere Geldsumme erbt oder eine Lebensversicherung ausgezahlt bekommt, kann mit diesem Geld Abschläge in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgleichen und somit die Rente erhöhen. Bereits ab dem 50. Lebensjahr sind solche Sonderzahlungen möglich.
Alternativ bietet die Flexi-Rente Arbeitnehmern auch die Möglichkeit, früher in Rente zu gehen und nebenher weiterzuarbeiten. Wer sich im Rahmen der Flexi-Rente für eine vorgezogenen Altersrente entscheidet, darf bis zu 6.300 Euro im Jahr ohne Abzüge hinzuverdienen. Was über diese Hinzuverdienstgrenze hinausgeht, wird jedoch zu 40 Prozent auf die Rente angerechnet.
Die Krux bei der Sache ist, dass bei weitem nicht jeder in den Genuss kommt, eine größere Geldsumme zu erben oder ausgezahlt zu bekommen und Sonderzahlungen tätigen oder aber Abschläge durch einen Nebenjob ausgleichen zu können. Daher kann die Flexi-Rente eben auch nicht von jedem Arbeitnehmer in Anspruch genommen werden. Somit stellt auch sie keineswegs für alle Arbeitnehmer eine Alternative dar.
Fazit
Mit 55 Jahren arbeitslos zu werden, ist natürlich ein Schock. Dennoch gilt es Ruhe zu bewahren und die Zeit der Arbeitslosigkeit aktiv zu nutzen, um sich fort- bzw. weiterzubilden. Auch mit 55 Jahren kann der Wiedereinstieg ins Berufsleben mit der nötigen Eigeninitiative gelingen. Einzig auf eine Vermittlung der Bundesagentur für Arbeit bzw. des Jobcenters zu setzen, ist nicht empfehlenswert. Ebenso wenig wie darauf zu bauen, frühzeitig in Rente gehen zu können. Denn leider sind die finanziellen Einbußen hierbei zuweilen enorm. Rente satt Arbeitslosigkeit ist daher in den seltensten Fällen eine Option.
- Bundesagentur für Arbeit: Arbeitslosengeld: Anspruch, Höhe, Dauer https://www.arbeitsagentur.de/finanzielle-hilfen/arbeitslosengeld-anspruch-hoehe-dauer (abgerufen am 23. Juni 2020)
- Bundesagentur für Arbeit: Existenzgründung und Gründungszuschuss https://www.arbeitsagentur.de/existenzgruendung-gruendungszuschuss (abgerufen am 23. Juni 2020)
- Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS): Eingliederungszuschuss https://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsmarkt/Arbeitsvermittlung/eingliederungszuschuesse.html (abgerufen am 23. Juni 2020)
- Sparkasse: Ab in den Ruhestand: So funktioniert die Flexi-Rente https://www.sparkasse.de/themen/rente-planen-ruhestand-geniessen/flexi-rente.html (abgerufen am 23. Juni 2020)
- WirtschaftsWoche: Was tun zwischen später Arbeitslosigkeit und Rente? https://www.wiwo.de/erfolg/jobsuche/die-beschaeftigungskluft-was-tun-zwischen-spaeter-arbeitslosigkeit-und-rente/23686058.html (abgerufen am 23. Juni 2020)
Unsere Autorin Patricia Schlösser-Christ studierte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und arbeitete anschließend an der Volkshochschule Worms. Als Kulturanthropologin M.A. widmet sie sich seither dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung / Weiterbildung und hat dabei auch die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt stets im Blick.